Gut leben mit Dupuytren

Kann man die Strahlentherapie empfehlen?

Jemand wollte es genau wissen: funktioniert Bestrahlung bei der Dupuytrenkrankheit? Der ThemenCheck Medizin beim IQWiG hat das überprüft. Die Ergebnisse: etwas kompliziert. In meinem Video habe ich versucht, die Sache zu erklären: 

Berichte finden Sie HIER.

In unserem Patientenratgeber hat Dr. Wach zur diesem Thema ein ausführliches Kapitel geschrieben.

Adressen für Strahlentherapie finden Sie auf den Seiten der Deutschen Dupuytren  Gesellschaft.

Das Reizvolle am Internet? Man kann jederzeit kostenlos einen guten, oder wenigstens einen gut gemeinten Rat bekommen. Zu jedem Stichwort wird man irgendwie fündig.

Aber man merkt schnell, es gibt eine gewisse Unordnung, viele Widersprüche, eine echte Orientierung fällt schwer.

In der Medizin gibt es andauernd Fortschritte. Sowohl die Patienten wie auch die Ärzte versprechen sich viel davon. Aber was hält einer kritischen Prüfung überhaupt Stand? Und wie soll so eine Prüfung eigentlich ablaufen? Hilft da dann das Internet?

Eine Möglichkeit ist, dass man eine Anfrage an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen schickt.

Das IQWiG untersucht den Nutzen und den Schaden von medizinischen Maßnahmen für Patientinnen und Patienten und wird normalerweise vom Gemeinsamen Bundesausschuss, der u.a. regelt, welche Leistungen die gesetzliche Krankenversicherung bezahlen muss, oder vom Gesundheitsministerium beauftragt.

Aber über den Themencheck Medizin kann das ein normaler Bürger genauso tun.

Aus den eingereichten Vorschlägen werden dann beim IQWiG einmal pro Jahr fünf Themen ausgesucht und dann von Experten mit wissenschaftlichen Methoden überprüft. Es geht darum, ob Behandlungen das halten, was sie versprechen.

Ich sag es gleich zu Beginn:

das ist dann immer nur eine Momentaufnahme. Die Gutachter werden danach suchen, welche veröffentlichten wissenschaftlichen Studien sich mit den betreffenden Fragen beschäftigt haben und dann natürlich immer nur auf ein Zwischenergebnis stoßen, denn die Wissenschaft schreitet ja ständig voran.

Es kann also durchaus sein, dass die gleiche Frage nach ein paar Jahren völlig anders beantwortet werden müsste.

Jedenfalls ist es oft so, dass solche Verfahren ohne eine klare Aussage beendet werden müssen, weil es an überzeugenden Studienergebnissen fehlt.

Es gibt dafür einige Beispiele, die man leicht nachlesen kann. Ich will das jetzt nicht alles vorlesen, bitte schauen Sie auf den Link in der Video Beschreibung.

Für die Dupuytren Patienten ist es interessant, dass eine solche Bewertung vor kurzem auch für die Dupuytren Behandlung gemacht wurde, konkret ging es um die Strahlentherapie.

Viele Ärzte, und auch viele Patienten schwören ja auf die hilfreiche Wirkung einer solchen Bestrahlung.

Wenn man nun – und so hat es eine Privatperson tatsächlich auch gemacht –  bei diesem Institut darum bittet, die Wirksamkeit der Bestrahlung bei der Dupuytren Krankheit einmal wissenschaftlich zu überprüfen, fangen die Probleme in gewisser Weise erst richtig an.

Die Experten suchen nämlich dann in den einschlägigen Auflistungen nach wissenschaftlichen Studien, die sich mit solchen Fragen beschäftigt haben. Und im Ergebnis ist es tatsächlich nur bislang eine einzige, die das in einer Weise getan hat, die die Gutachter halbwegs anerkannten:

Autor ist Prof. Heinrich Seegenschmiedt, den Sie zum Beispiel aus dem Video über Telemedizin bereits kennen. Es wurden in dieser Studie Patienten miteinander verglichen, die entweder eine Bestrahlung bei der Dupuytren Krankheit bekamen, oder sich nicht behandeln ließen und abwarten wollten, was passiert.

Und dann hat man über durchschnittlich 8,5 Jahre nachgeschaut, wie sich die Erkrankung verändert. Im Ergebnis waren bestrahlte Hände in 16% gebessert, in 53% stabil, und in 29% verschlechtert, während unbehandelte Hände in 60% verschlechtert waren.

Eigentlich ein eindeutiges Ergebnis, nicht wahr?

Es fällt aber auf, dass diese mittlerweile bereits mehr als 10 Jahre zurückliegenden Daten noch nicht überprüft und bestätigt wurden, eigentlich ein allgemein übliches Vorgehen in der Wissenschaft. Und außerdem kritisierten die Gutachter zwei andere Probleme mit dieser Studie:

Zum einen waren die beiden Gruppen nicht streng vergleichbar. Und die Zuteilung zu den beiden Gruppen, also Bestrahlung oder nur Beobachten, erfolgte auch nicht streng nach Zufallsprinzip. Beides wäre heutzutage eigentlich der Anspruch an derartige Studien.

Zusammenfassend heißt es deshalb in der Themencheck-Bewertung folgerichtig:

es sei zu früh, um eine Empfehlung für den Einsatz der Strahlentherapie auszusprechen.

Unter rein wissenschaftlichen Kriterien kann man wohl auch nicht zu einem anderen Ergebnis kommen.

Aber in der Medizin gab und gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass Methoden und Maßnahmen eingesetzt werden, ohne klare wissenschaftliche Beweise dafür zu haben, dass sie auch tatsächlich wirksam sind.

Die sogenannte Lehrmeinung spielt hier eine große Rolle, wenn man so will: das Gegenteil von Wissenschaft. Manchmal zählt vor allem „Wer heilt hat recht“.

Natürlich wünschen wir uns eine möglichst zuverlässige Grundlage für unsere Arbeit, sie soll evidenzbasiert sein. Aber viele Fragen kann man einfach nicht auf streng wissenschaftliche Weise zufriedenstellend klären.

Jedenfalls waren viele Strahlentherapeuten und auch viele Handchirurgen nicht wirklich glücklich mit dem Votum der Gutachter. Ein Trost: gerade sind zwei Studien zur gleichen Frage in Arbeit, die methodisch wohl besser konzipiert und an die daher auch hohe Erwartungen geknüpft sind.

Was können wir in der Zwischenzeit für eine Lehre ziehen?

So wie im Gutachten auch eingeräumt, kommt die Bestrahlung durchaus für manche Dupuytren Patienten infrage. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie hat dazu eine Leitlinie erstellt, die in einer aktuellen Fassung von 2022 vorliegt.

Im wesentlichen sind dies solche Patienten, bei denen noch keine wesentliche Fingerkrümmung besteht.

Nicht erkrankte Anteile sollen aber nicht bestrahlt werden. Es geht um die Wirkung auf Bindegewebszellen, die aber nicht permanent aktiv sind. Wenn sich die Erkrankung über längere Zeit unverändert zeigt, soll nicht bestrahlt werden, sondern erst, wenn sich Verschlechterungen nachweisen lassen. Es geht also auch um penible Dokumentation.

Manchmal werde ich gefragt, ob man nach einer Dupuytren OP nicht bestrahlen sollte, um die Sicherheit vor einem Rezidiv zu erhöhen. Dafür haben wir aber keinerlei Daten und die Leitlinie äußert sich dazu ebenfalls entsprechend kritisch.

Voraussetzung für jede Dupuytren Behandlung, und hier ist das unter den gegebenen Umständen erst recht der Fall, ist dann ein umfassendes und kritisches Informationsgespräch, das den Patienten in Lage versetzt, eigenverantwortlich mit zu entscheiden, ob eine Bestrahlung durchgeführt werden soll.

Rein hypothetisch gibt es ja immerhin zumindest bei den jüngeren Patienten, das Risiko einer bösartigen Erkrankung im ehemals bestrahlten Gebiet, auch wenn dies nicht wirklich jemals so beobachtet worden ist.

Nun bin ich bin als Handchirurg natürlich kein Experte für die Bestrahlung und kann Ihnen deshalb auch keine unmittelbaren Empfehlungen geben. Ich möchte an dieser Stelle aber noch einmal auf unseren Patientenratgeber Morbus Dupuytren hinweisen, der dazu ein umfangreiches Kapitel enthält, und auch auf die Seiten der Deutschen Dupuytren Gesellschaft, die ebenfalls viele Informationen und überdies Adressen von Strahlentherapeuten enthält, an die Sie sich wenden können.

Soviel also zu diesem etwas komplizierten Thema. Danke für Ihre Geduld!

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

© 2024 Gut leben mit Dupuytren

Thema von Anders Norén